Oberland

Mischol – ein Oberländer mit Bündner Wurzeln

Tumasch Mischol ist kein gewöhnlicher Name. Nicht verwunderlich, dass ich immer wieder gefragt werde, woher mein Name kommt. Entgegen vieler Vermutungen, dass es sich um einen Namen aus einem fernen Land handelt, ist die Lösung doch sehr naheliegend. Ich trage einen typischen rätoromanischen Namen aus dem Unterengadin. Dies kommt nicht von ungefähr – mein Vater ist in Scuol aufgewachsen. Meine Urgrossmutter aber war eine Fischenthalerin durch und durch. Die Geschichte dahinter ist sehr bewegend.

Meine Urgrossmutter war Rosa Oberholzer. Sie wurde im Jahr 1887 geboren und wuchs in Fischenthal auf. Ihr Vater Heinrich war Wirt im Restaurant Frohsinn in der Bodmen. Auch Rosa verdiente ihr Geld in der Gastronomie.

Familie Oberholzer vor dem Restaurant Frohsinn in Fischenthal. (hintere Reihe, dritte von links: Rosa Oberholzer)

Familie Oberholzer vor dem Restaurant Frohsinn in Fischenthal. (hintere Reihe, dritte von links: Rosa Oberholzer)

Heinrich Oberholzer in der Wirtsstube, der Restaurant Oberholzer / Frohsinn in Fischenthal.

Heinrich Oberholzer in der Wirtsstube, im Restaurant Oberholzer / Frohsinn in Fischenthal.

Als Gouvernante in einem Hotel in Genua lernte sie Jachen Mischol kennen, der dort als Oberkellner arbeitete. Jachen Mischol war ein Randulin jener Zeit. Randulinas im rätoromanischen Idiom Vallader bedeutet Schwalben. Zu jener Zeit war das Leben im Unterengadin ärmlich und hart. Die jungen Männer zogen in den Wintermonaten in viele italienische Städte oder auch nach Russland oder England aus, wo sie ihr Auskommen suchten und im Frühjahr wieder wie Schwalben mit gefülltem Geldbeutel zurückkehrten.

Jachen Mischol und Rosa Oberholzer arbeiteten im Hotel Eden in Nervi / Genua.

Jachen Mischol und Rosa Oberholzer arbeiteten im Hotel Eden in Nervi / Genua.

Jachen Mischol brachte Rosa Oberholzer nach Vnà, einem kleinen Bergdorf ob Ramosch. Für Rosa musste dies ein Kulturschock gewesen sein. Vom hochindustrialisierten Tösstal, über die mondänen Hotelpaläste in Norditalien, zog sie ins Unterengadin, wo es keine richtigen Strassen gab und das Automobil noch verboten war.

Jachen Pitchen Mischol mit der Kinderschar, 1926 in Vnà.

Jachen Pitchen Mischol mit der Kinderschar, 1926 in Vnà.

Die beiden heirateten, 1912 kam das erste Kind zur Welt. Der erste grosse Schicksalsschlag traf Rosa im Jahr 1918. Jachen erkrankte und starb mit 32 Jahren an der Spanischen Grippe. Rosa stand alleine da mit den mittlerweile sechs Kindern. Zwei Jahre später heiratete sie den kleinen Bruder von Jachen. Er hiess ebenfalls Jachen mit dem Zusatz „Pitchen“, also der kleine Jachen. Mit ihm hatte sie nochmals fünf Kinder. Eines davon war mein Grossvater Ernst. Viele der Kinder von Rosa hatten typische Deutschschweizer Namen wie Werner, Walter oder Elsa. Auch der zweite Mann von Rosa erkrankte und starb 1940. Die Kinder mussten anpacken, um die Familie vor dem Ruin zu bewahren. Rosa starb 1974 in Vnà.

Mein Grossvater zog Ende der 40-er Jahre nach Scuol, wo er eine Familie gründete. Mein Vater Josch lernte Koch im Restaurant Traube und übernahm mit meiner Mutter Vreny 1980 das Restaurant Schützenhaus in Hombrechtikon. Die beiden wirteten über 30 Jahre erfolgreich an diesem Standort.

So kamen die Mischols wieder zurück ins Zürcher Oberland, wo ich aufgewachsen bin und heute noch wohne.

PS: Mein bekanntester Namensvetter ist Senn und kommt im bekannten Kinderbuch „Zottel, Zick und Zwerg“ von Alois Carigiet vor…

Tumasch Mischol, im Mai 2019

Senn Tumasch im Kinderbuch "Zottel, Zick und Zwerg" von Alois Carigiet.

Senn Tumasch im Kinderbuch „Zottel, Zick und Zwerg“ von Alois Carigiet.